Statistisch basierte Prozessrisikobewertung?

Kürzlich lasen wir eine besonders interessante Veröffentlichung von Dr. Mathias Wittinghofer auf Linkedin* über die Einführung statistischer Analysen für die Bewertung von Prozessrisiken am Beispiel von Daten über die Wirksamkeit von Berufungen von Landgerichten an die Oberlandesgerichte in Deutschland.

Der Veröffentlichung zufolge hat das Team, das sich mit dem Problem befasst hat, nach der Erhebung und Zusammenstellung von Statistiken festgestellt, dass im Jahr 2021 in ganz Deutschland insgesamt 61 327 Berufungen bei den Oberlandesgerichten eingelegt wurden, von denen nur 8 136 zur Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils und entweder zu einer anschließenden Zurückverweisung an dieses Gericht oder zu einer Entscheidung in der Sache durch das Oberlandesgericht führten. Die übrigen Fälle endeten entweder mit einem angefochtenen Urteil zu Ungunsten des Rechtsmittelführers oder mit anderen Maßnahmen wie Vergleich, Rücknahme, Versäumnisurteil, Zurückweisung des Rechtsmittels usw.

Auf der Grundlage dieser Zahlen waren 2021 statistisch gesehen 13,3 % (= 8 136 / 61 327) aller Berufungen erfolgreich.

Die oben genannte Studie hat uns dazu veranlasst, selbst zu prüfen, wie sich ähnliche Statistiken hier in Polen darstellen. Auf der Grundlage der von der statistischen Datenbank des Justizministeriums (https://isws.ms.gov.pl/pl/baza-statystyczna/opracowania-wieloletnie) veröffentlichten Daten über Berufungen in Zivilverfahren vor Bezirks- und Berufungsgerichten zwischen 2005 und 2021 sind wir zu folgenden Ergebnissen gekommen.

Im Jahr 2021 wurden in Polen insgesamt 42.704 (es waren 82.222 Fälle zu bearbeiten) Berufungsverfahren vor den Berufungsgerichten abgeschlossen, von denen insgesamt 9.762 mit der Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils und der anschließenden Zurückverweisung des Falles an dieses Gericht zur erneuten Prüfung oder mit einer Entscheidung in der Sache durch das Berufungsgericht endeten. Die übrigen Fälle endeten entweder mit einem angefochtenen Urteil zu Ungunsten des Rechtsmittelführers oder mit anderen Maßnahmen wie Vergleich, Rücknahme, Urteil im Schnellverfahren, Zurückweisung des Rechtsmittels usw.

Auf der Grundlage dieser Zahlen waren 2021 statistisch gesehen 22,86 % (= 9 762 / 42 704) aller erledigten Berufungen erfolgreich.

Aus der obigen Analyse ergibt sich also, dass die Bewertung des Prozessrisikos auf der Grundlage statistischer Daten in Bezug auf die Erfolgsquote einer Berufung gegen eine Bezirksgerichtsentscheidung beim Berufungsgericht in Polen fast doppelt so hoch ist wie in der Veröffentlichung von Dr. Mathias Wittinghofer in Deutschland. Die Frage ist jedoch, ob dieser Unterschied ein Vorteil oder ein Nachteil ist?

*https://www.linkedin.com/feed/update/urn:li:activity:7071395277772857344/

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